Der Kjeragbolten ruft

Da oben klemmt der Kjeragbolten

Nachdem wir gestern auf der Fahrt auf dem Lysefjord richtig die Seele baumeln lassen konnten, sollte es heute auf den Kjerag, und hier zu diesem, seit tausenden von Jahren, eingeklemmten Stein, gehen. Obwohl Andreas mich vorgewarnt hatte habe ich mir vorgenommen, wenigstens den Versuch einer Besteigung zu unternehmen.

Nachdem wir sage und schreibe 27 (in Worten siebenundzwanzig) Spitz- und Haarnadelkurven bewältigt hatten, kamen wir am „Adlernest“ an.

 

..ein Teil der Strecke zum Adlernest

Allein die Fahrt hierher mit den Aussichten nach jeder Kurve war schon ein Erlebnis. Ein Blick vom Parkplatz auf den 1. Berg war doch beeindruckend. Aber was soll’s, ich habe mir vorgenommen es zu versuchen.

Bei einer Höhe von 640 Meter über NN geht es zunächst über verwurzelten Heideboden mit viel Heidekraut. Dann wurde der Grund schon felsiger und dann steil auf den 875 m hohen Berg.

...der Beginn des Aufstiegs

Der Ausblick von hier war sehr beeindruckend und verleitete schon mal zu einer längeren Pause, denn meine „Pumpe“ arbeitete schon ganz ordentlich.

bei 875m der Blick auf das "Adlernest", dem Ausgangspunkt

 

 

Blick über das Litle Stordalen

Von hier aus habe ich einen schönen Blick über das angrenzende „Litle Stordahlen“ heißt kleines Tal. Da muss ich runter um auf einem kleinen Pfad wieder in die Höhe zu steigen.

 Na ja, der Tag ist noch jung und ich habe wieder genügend Luft um weiter zu gehen, aufgeben an dieser Stelle kommt noch nicht in Frage. Also runter.

Unten angekommen geht es über einen kleinen Bach und dann beginnt der nächste Aufstieg über einen schmalen Pfad entlang der Bergkante.

 Nur nicht ausrutschen denn es geht recht steil nach unten Richtung Lysefjord.

 

Tief unter mir liegt der Ort Lysebotn

Der Anblick, der sich einen jetzt bietet, ist sehr aufregend und lässt die Anstrengung zunächst vergessen.

 Dann habe ich den nächsten Bergrücken erreicht und mache erneut eine Pause und genieße die Aussicht. Von hier aus geht es wieder hinab, diesmal ins „Stordalen“, großes Tal.

hinab ins" Storedalen"

Zeit, die Entfernung zurück zum Parkplatz sowie die Anstrengung (bis hierher bzw. die, die noch kommt), treten in den Hintergrund bis hin zum Vergessen. Die Aussicht, die sich mir hier bietet, stellt alles andere in den Hintergrund.

 

Weiter geht’s, der Pfad schlängelt sich ein kleines Stück in Richtung Lysefjord. Von dort aus geht es steilhinauf dem Grat des Kjeragmassives entlang und über den blankpolierten Granit zum Wegzeichen auf dem Nesagipfel. Auf dem Weg dorthin bin ich ganz allein. Die Leute, die ich während des Aufstieges gesehen, später nur noch gehört hatte sind plötzlich alle weg.

...allein auf blankpolierten Granit

Ich bin völlig allein. Kein Laut um mich herum. Wie muss das wohl sein wenn plötzlich die Sicht durch Nebel oder Regen eingeschränkt wird? Ich denke nicht darüber nach und konzentriere mich auf die Wegzeichen um mich nicht zu verlaufen.

 

Dann bin ich am Wegepunkt, an dem alle Wege aus Ost, West, Süd und Nord zusammentreffen, angekommen. Jetzt bitte, wo geht es hier zum „Bolten“?

Ich höre Stimmen und gehe los. An einer Felskante blicke ich hinunter und da liegt er vor mir. Tatsächlich, ca. 4 m² Oberfläche und eingeklemmt zwischen den Felswänden. Aber wie komme ich da hinunter, ich will ja auf den Stein um das Gefühl zu ergründen, wie es ist, wenn man direkt 1000 m unter sich den Lysefjord hat. Aber ich muss feststellen, ich habe einen falschen Weg genommen. Also bis zur Weggabelung zurück und dann auf ein Neues.

...der Wegweiser...

Diesmal klappt es, ich bin auf dem richtigen Weg. Jetzt noch durch ein trockenes Bachbett und dann liegt er vor mir.

die letzte Hürde zwischen mir und dem Stein

Der „Kjeragbolte“, 300 m westlich der Warte auf dem Nesagipfel,

 in einer Spalte ganz außen an der steilen Bergwand festgekeilt.

 

 

 

 

der Stein,

 

festgekeilt in über 1000m

Zunächst suche ich mir jemanden der mich fotografiert wenn ich auf dem Stein stehe.

Ich möchte doch einen Beweis dafür, dass ich einer der Wenigen bin, die sich auf den Stein hinaus gewagt hatten. Der Grat dorthin war noch schmaler als der, der zum Preikestolen geführt hatte.

 

Endlich stehe ich auf diesem Stein und kann die Aussicht genießen. Ich habe es tatsächlich geschafft. Ich bin da und hatte nicht aufgegeben.

 

 

 Nicht aufgegeben? Dann lief es mir kalt den Rücken herunter. Ich hatte ja noch den Rückweg vor mir!!!

ja !!!!! Ich hab es geschafft!!!!

Jetzt kamen mir doch Zweifel ob ich mich nicht überschätzt hatte. Die Neugier, was kommt hinter der nächsten Kurve, hinter dem nächsten Hügel, hat mich abgelenkt und nicht an die Anstrengung denken lassen.

Aber gut, ich hatte mir die Suppe eingebrockt, also muss ich sie auch auslöffeln. Ich hatte ja noch den ganzen Nachmittag Zeit.

Zeit ??? Ich war mittlerweile schon 3 Stunden unterwegs. Jetzt noch den Rückweg und ich würde sehr spät am Nachmittag wieder auf dem Parkplatz zurück sein.

Auf geht’s….. zurück.

 

 

die Aussicht-

 

1000 m über den Lysebotn

An der Wegmarkierung noch mal orientiert in welche Richtung ich gehen muss und der Abstieg begann.

 

Zunächst hatte ich noch Gesellschaft, aber nach den ersten Abstiegen war ich dann vorübergehend wieder allein. Die Pausen wurden immer länger. Immer öfter wurde ich überholt, mal wortlos, mal mit einem kleinen Wortwechsel über die Schönheit der Landschaft und der Aussicht.

Beim Abstieg musste man doch sehr vorsichtig sein, um nicht auszurutschen und sich Verletzungen zu zuziehen. Jetzt stelle ich fest, dass gutes Schuhwerk das „A&O“ einer solchen Wanderung ist. Mittlerweile schmerzten die Waden.

 

gutes Schuhwerk ist wichtig

Solch ein Auf und Ab ist der Körper und vor allen Dingen sind meine Beine nicht gewohnt. Jetzt merke ich auch die Anstrengung.

Mittlerweile bin ich auch wieder im „Litle Stordalen“ und die letzte Steigung steht an. Noch einmal richtig durch schnaufen, den Rest aus der Wasserflasche und dann geht’s rauf auf den Berg. Oben angekommen wieder der herrliche Rundblick auf den Ort Lysebotten und den Parkplatz, meinen Ausgangspunkt.

 Auf dem blankpolierten Granit geht es an den Abstieg. Teilweise auch unter Zuhilfenahme der dort angebrachten Steighilfe.

Waltraut hat mich dann auch schon entdeckt und winkt mir von unten zu. Ich winke zurück und merke, dass der Körper die letzten Reserven frei gibt. Jetzt noch die letzten Meter über weichen Heideboden und ich stehe auf dem Parkplatz.

 

 

 

 

Blick auf den Parkplatz

Geschafft!!! Ich merke wie sich die Anspannung vom Körper löst und mich eine Art von Glücksgefühl überkommt.

Ich habe nicht aufgegeben!!!!!

Waltraut hat mir ein paar Duschmarken besorgt, denn in einem der Versorgungsgebäude gibt es Duschen. Ich also hinein, an einer der Duschkabinen war ein Schild angebracht, das es dort nur kaltes Wasser gibt. Ich also in die zweite und siehe da, nachdem ich das Wasser angedreht habe, auch hier kommt nur kaltes Wasser.

Es war sehr kalt, aber im Nachhinein muss ich sagen, die Lebensgeister kehrten schnell zurück.